Erneut lachte ich schmerzerfüllt auf. "Das stimmt. Aber ich erinnere mich immer wieder gern daran", meinte ich ehrlich. Leicht hob ich meine zitternde Hand, um das Tattoo mit seinem Namen anzusehen.

Ich lächelte nur schmerzerfüllt und schüttelte leicht den Kopf. Mich schmerzten die Erinnerungen an Damals nur, also hatte ich sie in den letzten Jahren vermieden, auch wenn ich es nie geschafft hatte meinen Zwilling aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich bemerkte wie Shion etwas an seinem Handgelenk ansah und kam nicht darum herum drauf zu sehen. Meine Augen weiteten sich, als ich meinen Namen dort stehen sah. Warum hast du...

Mein Blick wurde traurig, als er wegen dem Tattoo fragte und ich sah ihn an. "Weil ich dich nicht vergessen wollte. Egal was passiert ist. Du wirst mir immer viel bedeuten und mein Bruder sein. Und deswegen hab ich mir deinen Namen tätowieren lassen", kam es von mir, "denn wir sind doch immer noch irgendwie verbunden. Sonst hättest du mich einfach auf der Straße sterben lassen."

Ich griff vorsichtig mit meiner eigenen tätowierten Hand nach seiner und betrachtete das Tattoo, während er sprach. Wieder fühlte ich wie Tränen in meine Augen stiegen, doch diesesmal konnte ich sie nicht mehr zurück halten. Sie bahnten sich den Weg über meine Wangen und ich presste Shions Hand an meine Stirn, das Gesicht dennoch abgewandt. Meine Schultern zitterten und ich sank völlig, halb auf dem Boden und halb auf der Bank zusammen. Shion hatte mich wirklich nie vergessen. Er hatte sich den Namen seines unreinen Bruders tätowieren lassen, damit wir verbunden blieben. Ich hatte wirklich lange nicht mehr geweint, aber diese Erkenntniss durchbrach die Dämme und ließ mich zusammenbrechen.

Er griff nach meiner Hand und betrachtete mein Tattoo von seinem Namen. Dann presste er meine Hand an seine Stirn. Das Zittern seiner Schultern zeigte mir, dass er weinte. "Vielleicht wäre das alles nie passiert, wenn... wenn ich noch mehr für dich da... wenn ich dich aufgehalten hätte", brachte ich hervor, "ich hab mir so oft gewünscht, dass alles wie früher ist... ich hab dich vermisst..." Nun liefen auch Tränen über meine Wangen.

Ich schüttelte leicht den Kopf, leise Schluchzen. Es.. war nicht deine Schuld. Ich hätte nie... Aynaet... Diesen Namen auszusprechen brachte mein Herz fast dazu vor Verzweiflung aufzugeben. Es tut mir so leid Bruder! Ich klammerte mich an Shions Hand wie ein Ertrinkender an einen Ast. Er sollte sich keine Schuld geben. er durfte es nicht. Ich war dumm und naiv gewesen, nicht er. Und nun gestand er auch noch mich vermisst zu haben. Ich fürchtete um seine Reinheit. Die Gesetze waren sehr streng. Mehr und mehr Tränen bahnten sich den Weg aus meinen fest geschlossenen Augenund das zittern meiner Schultern wurde heftiger.

"Du wirst immer Platz in meinem Herzen haben. Es war hart, dich nicht mehr zu sehen. Besonders, als Mutter und Vater gestorben sind", meinte ich leise, "ich kann und werde dich niemals vergessen. Und mir tut es ebenfalls leid. Denn immerhin haben meine Eltern mich immer bevorzugt und ich habe nie verstanden warum." Tränen liefen mir über die Wangen.

Ich schluchzte erneut auf und schüttelte wieder den Kopf, dieses mal aber etwas deutlicher. Sie haben von Anfang an erkannt, dass du der reinere von uns beiden bist. Du Shion, du warst das einzige was mich gehalten hat. Nach... nach meinem Fall... Mein Griff um seine Hand wurde noch etwas fester. ...wusste ich nicht mehr was ich tun sollte und es zeigte sich, warum... Mutter und Vater... dich mehr geliebt haben. Die Bezeichnung unserer Eltern riss neue Wunden in mein Herz, doch war es nicht ohnehin schon egal? All das hier war doch sinnlos. Es konnte nicht mehr so werden wie es einstmals gewesen war.

Daraufhin schüttelte ich den Kopf, hob eine Hand. Mit dieser kam ich an seine Wange, fast, als hätte ich ihm eine scheuern wollen, aber wäre zu schwach dazu gewesen. "Hör auf so einen dummen Mist zu reden!", fuhr ich ihn an, ich klang heiser, aber sehr viel lauter, "man wird niemals böse oder unrein geboren, sondern so gemacht! Wäre es anders herum gewesen, dann wärst du noch ein Engel und ich nicht mehr! Es waren die Umstände, die dich zu dem gemacht haben, was du bist! Jeder hat eine Geschichte, die erklärt, warum er so geworden ist! Also will ich nie wieder sowas dummes von dir hören, denn du warst, bist und wirst immer mein. Bruder. bleiben!"

Ich zuckte zurück, als er die Hand hob, doch blieb dann an seiner Seite,als er offenbar nicht die nötige Kraft hatte mich zu schlagen, was allerdings wieder mehr Grund zur Besorgnis war. Ich hob etwas das tränennasse Gesicht, doch hielt den Blick abgewendet. Sag sowas nicht. Hör auf sowas zu sagen! Du wirst fallen, wenn du so weiter machst.!Es war meine Schuld! Du hättest dich nie... auf einen Dämonen... eingelassen. Meine erst erstarkte Stimme wurde beim letzten Satz wieder immer leiser.

Seine Stimme wurde beim letzten Satz immer leiser. "Das vielleicht nicht, aber wenn man manipuliert wird, macht man viele Fehler, die man erst im Nachhinein bemerkt. Trotzdem wäre so viel anders gewesen, wenn die Situation damals anders gewesen wäre. Ich hab... dich bis zu deinem Fall immer... für deinen Mut bewundert...", kam es von mir, das letzte kam mir nur stockend über die Lippen, ehe ich husten musste. Meine Hand ließ ich wieder sinken, mir fehlte die Kraft, diese zu halten.

War es wirklich Manipulation? Oder war ich einfach nur blind vor Liebe? Ich glaube mehr an letzteres, worauf auch die Narben auf meinem Körper schließen lassen konnten. Ich hätte den Schaden sofort erkennen müssen, aber nein, ich hatte mich darauf eingelassen und war immer weiter abgerutscht. Mut für das Dumme vielleicht. Meine Stimme war bitter und langsam versiegten die Tränen, doch als Shion seine Hand sinken ließ, offenbar kraftlos, sah ich ihn wieder an, mein Blick nun mehr als besorgt. Shion? Bruder, was ist los?

"Trotzdem habe ich dich immer bewundert", brachte ich hervor und hustete erneut. Ich spürte seinen Blick auf mir, er wirkte besorgt. Kurz erzitterte ich. Mein Atem ging schwerer, leicht rasselnd. "Es ist alles so... dunkel... und kalt... ich bin so müde, ich hab keine Kraft mehr...", kam es mit schwacher Stimme von mir, "dabei wollte ich dich doch retten... ob es sich immer so kalt anfühlt... wenn man stirbt...?"

Dunkel? Kalt? Ich spürte die Dunkelheit nicht, sie war ein Teil von mir, doch Shion war immer noch ein reiner Engel. Ich musste ihn zurück bringen. Zurück Nachhause, dorthin, wo es viel Licht gab und man sich richtig um ihn kümmern konnte. Bruder, bitte, bleib wach, bleib bei mir. Ich bringe das in Ordnung, hörst du? Und wenn es das letzte ist was ich tue. Den letzten Satz murmelte ich nur entschlossen vor mich hin. Hatte ich nicht ohnehin sterben wollen? Hatte ich nicht jedes Mal gehofft, dass meine Opfer mich in einem meiner Anfälle töten würden? Dann würden das eben die Engel selbst machen. Hauptsache mein Zwilling konnte leben. Das war alles was zählte. Ich erhob mich schwankend, war ich doch immer noch betrunken. Einzig der Geruch von Shions Blut überdeckte die Fahne die ich ausstrahlte, doch mein Geist war nach wie vor klarer als je zuvor. Das musste an Shion selbst liegen und an der einzigartigen Wirkung, die er auf mich hatte. Ich legte meine Jacke über Shion und hob ihn erneut auf. Als ich meine Flügel ausbreitete musste ich einen Schmerzlaut unterdrücken. Weit würde ich nicht kommen. es blieb zu hoffen, dass das nächste Portal in den Himmel nicht weit entfernt war. Ich bringe dich nachhause. Versprochen. Damit stieß ich mich vom Boden ab und flog mit meinem Zwilling hinaus in den Himmel. Elegant war mein Flug nicht, schließlich stand ich unter Alkoholeinfluss und konnte meinen rechten Flügel nicht richtig bewegen, aber immerhin waren wir in der Luft. Shion, wo ist das nächste Portal. Kannst du mir das sagen?

"Das Fliegen tut... tut dir doch weh", brachte ich hervor, "as nächste Portal ist etwa hundert Meter südlich von hier..." Mein Kopf lehnte an seiner Brust. Eigentlich hätte ich ihn aufgehalten, mic zurückzubringen, so wusste ich doch, was einem Dämon in der Welt der Engel wiederfahren würde. Aber im Moment war ich zu schwach, um die Tragweite dieser Situation zu begreifen. Ich dämmerte mehr so vor mich hin, als geistig anwesend zu sein.